Eine Sanierung mit besonderen Herausforderungen: Das Schiffmacherhaus am Viktualienmarkt in München steht auf historischem Stadtgrund und ist Teil des Bürgerhaus-Ensembles, das vom Sebastiansplatz bis zum Rosenthal reicht. Das Gebäude selbst ist denkmalgeschützt – eingetragen als Boden- und Baudenkmal in der Bayerischen Dankmalschutzliste.
Erstmals im Jahr 1521 im Häuserbuch urkundlich erwähnt, ist das Wohn- und Geschäftshaus am südwestlichen Ende des Viktualienmarkts ein typisches Relikt der mittelalterlichen Parzellenstruktur der Münchner Altstadt. Das sehr schmale Grundstück von ca. 114 m² (20 m Gebäudefront, 4,5 m Gebäudetiefe) wird vollständig von der Bebauung ausgefüllt.
Erbaut 1873 als viergeschossiger Putzbau mit Kniestock und Pultdach in schlichter spätklassizistischer Formgebung von Hanno Bürkel, wurde das Gebäude bereits 1874 durch den Anbau der linken, leicht abgewinkelten Gebäudeachse ergänzt (1).
Die bestehende Fassade ist auf eine Reihe von Modifizierungen zurückzuführen, hauptsächlich jedoch auf die bewusste Purifizierung aus dem Jahr 1933, bei der im Sinne der Neo-Stile des 19. Jahrhunderts die ursprüngliche spätklassizistische Fassadenstruktur entfernt wurde (2,3).
Unter größtmöglicher Rücksicht für den denkmalgeschützten Bestand wurden folgende Maßnahmen durchgeführt:
Dachaufstockung
Sanierung des Treppenhauses
Einbau eines Aufzugs
Unterfangen der tragenden Außenwände/Absenkung der Bodenplatte und
Energetische Optimierung der Bausubstanz.
Auch in statischer Hinsicht eine anspruchsvolle Aufgabe, denn um eine normale Nutzung zu gewährleisten, musste das Untergeschoss abgesenkt werden. Das Treppenhaus, welches bis dato durch eine Geschäftsfläche lief, wurde verlegt, und ein Aufzug eingebaut.
Gebäudedaten:
Wohnfläche: 360 m2
Im 2. bis 4. Obergeschoss befinden sich drei Wohnungen mit jeweils rund 75 m² Wohnfläche.
Eine Penthouse-Wohnung inklusive Dachterrasse nach Westen erstreckt sich mit ihren 130 m² über das 5. Ober- und Dachgeschoss.
Geschäftsfläche: ca. 135 m²
Im Erdgeschoss des „Schiffmacherhaus“ befinden sich ein Café mit einer Fläche von 30 m² sowie ein Trachtenladen, der zusätzlich noch das 1. Obergeschoss einnimmt (insgesamt 105 m²).
Das Gebäude wurde um zwei Vollgeschosse in Massivbauweise aufgestockt (6). Dabei nehmen die beiden neuen Geschosse zwar mit ihren Fensteröffnungen das bestehende Fassadenraster auf, heben sich aber von dem alten Gebäudeteil durch ihre zeitgemäße Formensprache deutlich ablesbar ab. Dies geschieht im Wesentlichen durch die bodentiefe, sprossenfreie Verglasung und zwei minimalistische Friese, die ihrerseits wiederum eine Referenz an die historische Bausubstanz darstellen.
Sowohl die Höhe der neuen Trauflinie, als auch die neue Dachneigung erhalten zwischen den beiden Nachbargebäuden vermittelnden Charakter. Die Firstlinie greift die Höhe der Brandwand der angrenzenden Gebäude auf. Die Dachhaut ist mit einer Stehfalzdeckung in Kupfer ausgeführt, deren formal reduzierte Gauben eine ruhige und zurückhaltende Dachfläche ergeben (7).
Das Gebäude wurde ungefähr bis zur Hälfte des 3.Obergeschosses mit Zustimmung des Denkmalamtes abgebrochen (teilweise Außenwände, kleine Thermenfenster, Holzbalkendecke des 3.OG und Dachkonstruktion), um in den restlichen Geschossen eine brauchbare Raumhöhe generieren zu können.
Danach wurde ab der Abbruchkante wieder aufgebaut. Der Anschluss stellte sich unproblematisch dar, denn auf die bestehenden Mauern konnte mit hochwärmedämmenden Ziegeln entsprechend Neubaustandard, wieder aufgemauert werden. Um hier die notwendigen Schall- und Wärmeschutzanforderungen an die Gebäudeaußenwände einzuhalten (exponierte Lage), wurden Wärmedämmziegel mit einer Mauerwerksstärke von 36,5 cm und ein außen liegender Dämmputz mit einer Stärke von 40 mm verwendet. Damit ließ sich ein U-Wert von 0,240 W/m²K realisieren.
Die neue Deckenkonstruktion des 3. Obergeschosses wurde in Stahlbeton ausgeführt. Das innere Treppenhaus wurde in seiner zylindrischen Form nach oben gezogen, ebenso die neue Stahlbeton-Wendeltreppe in schallgetrennter Ausführung.
Für das Dach wurde eine Stahl-Holzkonstruktion gewählt, die eine kompakte Dachaufbauhöhe von nur 29 cm ermöglichte. So kann zukünftig die begrenzte Raumhöhe von 2,40 m optimal genutzt werden. Die Sparrenzwischenräume wurden mit einer Zellulosedämmung ausgeblasen. Die Dachkonstruktion erreicht so einen mittleren U-Wert von 0,171 W/m²K (8).
Mit den beiden neuen Geschossen und dem ausgebauten Dach entstanden attraktive, innerstädtische Wohnungen. Dafür wurde das Treppenhaus um eine Etage erweitert.
Als positiver Nebeneffekt konnten die sichtbaren maroden Brandwände der beiden Nachbargebäude durch die Aufstockung verdeckt werden. Dadurch wurde eine wesentliche stadträumliche Aufwertung insbesondere der Blickbeziehung vom Viktualienmarkt zur Prälat-Zistl Straße erzielt (9).
Das Treppenhaus ist bis auf das Erd- und Kellergeschoss noch in seiner historischen Substanz von 1873 erhalten und schützenswert. Die aufwändige Erhaltung der außerordentlichen Konstruktion der bestehenden Wendeltreppe mit besonderen alten Beton-Fertigteilstufen wurde bewusst in Kauf genommen, um auch nach der Sanierung zum besonderen Charme des Hauses beizutragen (10).
Die Veränderung des Treppenlaufs aus den späten 50er-Jahren in Erd- und Kellergeschoss wurde rückgebaut. Dadurch rückt der Zugang zum Treppenhaus wieder an seine ursprüngliche Position zurück. Außerdem wurde das Treppenhaus – unter Berücksichtigung des Treppenlaufs und der Steigungsverhältnisses der Bestandstreppe – um ein Geschoss nach oben erweitert (11).
Ein platzsparender Aufzug für bis zu sechs Personen verbindet jetzt das Erdgeschoss mit dem Untergeschoss und den Obergeschossen 1 bis 5. Um größere Eingriffe in die Bausubstanz zu vermeiden, wurde ein Modell mit geringer Über- und Unterfahrt sowie einer einfachen technische Wartung gewählt.
Der Ein- und Ausstieg in den Fahrstuhl erfolgt jeweils auf ca. halber Höhe des jeweiligen Geschosses, an der Stelle wo ursprünglich ein Etagen-WC vorhanden war.
Unterfangung der tragenden Außenwände/Absenkung der Bodenplatte
Die ursprünglich äußerst geringe und stark variierende Raumhöhe macht eine zukünftig sinnvolle Nutzung des Kellergeschosses nur schwer möglich (13). Deswegen wurde im Zuge einer Unterfangung der Außenwände der Bestandsboden entfernt und 30 bis 60 cm tiefer (abhängig von der Raumhöhe) eine neue Bodenplatte eingezogen. Die historische Gewölbedecke im linken Gebäudeteil und das Kappengewölbe im rechten Gebäudeteil blieben in wesentlichen Teilen komplett erhalten.
Die Unterfangung der bestehenden Fundamente – welche straßenseitig mit 80 bis 100 cm sehr stark waren – wurde konventionell in Handarbeit ausgeführt. In Teilbereichen konnte die Unterfangungstiefe nicht in einem Arbeitsschritt erreicht werden, hier musste die Unterfangung sogar nochmals unterfangen werden (14).
Nach der Keller tiefergelegt und die neue Bodenplatte eingebracht waren, konnte das Treppenhaus im Erdgeschoss komplett abgefangen werden. Danach wurde es im Erdgeschoss komplett abgebrochen und bis ins Kellergeschoss neu nach unten gezogen.
Darüber hinaus wurden die alten Holzbalkendecken über dem Untergeschoss, dem Erdgeschoss und im 1. und 2. Obergeschoss umfassend saniert und die Geschossdecken über den Obergeschossen 3 bis 5 – wie bereits zuvor erwähnt – neu erstellt.
Aufgrund der extrem geringen Grundstücksgröße ist eine optimale Flächennutzung der Geschosse für kleine, besondere Wohneinheiten wichtig. Durchdachte Einbaumöbel nutzen sämtliche Nischen funktional aus. Bei Türgriffen, Zierleisten und Wandfarben galt eine besondere Beachtung bis ins Detail. Auf gestalterische „Kunstgriffe“ hingegen wurde zugunsten einer klassischen, edlen Eleganz bewusst verzichtet (15, 16).
Neben der Erneuerung aller Fenster mit energieoptimierten U-Werten (1,4 bzw. 1,7 W/m²K) wurden die komplette Haustechnik und die Elektroleitungen neu installiert.
Ursprünglich war geplant, das Gebäude mit Fernwärme zu versorgen. Das ließ sich jedoch wegen ungünstig liegenden Anschlussleitungen nur schwer realisieren, zumal der Energiebedarf des Gebäudes nach der Sanierung so gering ist, dass sich Fernwärme in diesem Fall nicht gelohnt hätte. Schließlich fiel die Entscheidung bezüglich der Heiztechnik auf ein Gasbrennwertgerät. Da keine der vorhandenen Leitungen erhalten werden konnte, wurde das Haus mit komplett neuen Installationen, sowohl Elektro als auch Heizung/Lüftung/Sanitär betreffend, versehen.
Der Energieausweis erfolgte bei den veränderten Einzelbauteilen des Bestandsgebäudes vom Erdgeschoss bis zum 3.Obergeschoss gemäß den Anforderungen der EnEV 2007 nach Anlage 3 Tabelle 1 bei erstmaligem Einbau, Ersatz und Erneuerung von Bauteilen.
Die Aufstockung des 4. Obergeschosses bis zum Dachgeschoss – und somit die definitionsgemäße Erweiterung des Gebäudes – wurde nach dem Monatsbilanzverfahren berechnet und entspricht den energetischen Anforderungen an einen Wohnhausneubau mit Stand der EnEV 2007.
Fazit
Die beschriebenen Maßnahmen stellen sowohl für das Gebäude und seine Nutzung, als auch für die stadträumliche Situation eine Aufwertung und im Sinne des Denkmalschutzes eine deutlich ablesbare moderne Zutat dar. Sanierung, Umbau und Bestand gehen eine gelungene Symbiose ein, das neue „Schiffmacherhaus“ fügt sich zurückhaltend aber mit einer gewissen Grandesse in das Ensemble ein.
Insgesamt konnte die Ausführung in Massivbauweise mit Lochfassade den Duktus der historischen Bebauung und der Fassadenstruktur der Prälat-Zistl-Straße aufnehmen und fortsetzen (18).
Laden Sie kostenlos den Artikel herunter: Sanierung: Schiffmacherhaus
Absenden * Pflichtfeld
Wir erheben Ihre Daten gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b) und f) DSGVO zur ordnungsgemäßen Abwicklung unserer
Geschäftsvorgänge sowie zur Mitteilung von Produktinformationen.
Wir informieren Sie regelmäßig über aktuelle, themenbezogene, kostenpflichtige Verlagsprodukte per E-Mail,
Fax, Telefon oder Post. Sie können jederzeit der Verwendung Ihrer Daten für Werbezwecke zu den ortsüblichen
Basistarifen widersprechen, indem Sie den Abmeldelink nutzen, der am Ende einer jeden E-Mail enthalten ist.
Oder schreiben Sie eine E-Mail an [email protected].
Im nächsten Schritt erhalten Sie eine Bestätigungsmail an die angegebene E-Mail-Adresse. Hiermit wird
geprüft, ob es sich um eine korrekte E-Mail-Adresse handelt
Um Ihnen die gewünschten Informationen zukommen lassen zu können, klicken Sie bitte jetzt den in der
Bestätigungsmail enthaltenen Link.
Falls die Bestätigungsmail Ihr Postfach nicht erreicht hat, kann es sein, dass diese irrtümlicherweise in
Ihrem Spam-Ordner gelandet ist. Überprüfen Sie daher Ihren Spam-Ordner und Ihre Spam-Einstellungen.